Kasachstans Exbotschafter Rakhat Alijew befürchtet weitere Aktivitäten des kasachischen Geheimdienstes in Wien und beschuldigt Präsident Nasarbajew krimineller Geschäfte in Österreich.
Seit 2007 beschäftigt der Fall Rakhat Alijew Politik und Öffentlichkeit. Der Exbotschafter Kasachstans fiel bei Präsident Nasarbajew in Ungnade, sollte vom Geheimdienst in Wien entführt werden. Hilfe bekamen die Kasachen von korrupten österreichischen Polizisten und möglicherweise auch von Politikern. Der Spitzel-U-Ausschuss beschäftigte sich damit, SPÖ und ÖVP verhinderten die Ladung wichtiger Zeugen. Zuletzt wurde Alijew die Verstrickung in einen Mordfall nachgesagt. Kasachstan fordert von Österreich seine Auslieferung.
„Die Presse": Warum müssen wir dieses Gespräch über Skype führen und können uns nicht direkt treffen?
Rakhat Alijew: Aus Sicherheitsgründen. Ich habe Dokumente, die belegen, dass weitere kriminelle Aktionen gegen mich geplant sind, dass der kasachische Geheimdienst nach mir sucht und beabsichtigt, dafür auch österreichische Polizisten zu schmieren.
Wovor fürchten Sie sich?
Alijew: Ich habe Angst davor, vom KNB entführt zu werden. 50 kasachische Diplomaten arbeiten derzeit bei der OSZE. Manche sind Agenten, so wie auch der kasachische Botschafter bei der OSZE, Herr Abdrakhmanow. Ich besitze eine Kopie seiner Personalakte.
Wo halten Sie sich derzeit auf?
Alijew: Außerhalb Österreichs. An verschiedenen Orten. Es ist sicherer, wenn ich mich bewege und von einem Land ins nächste reise. Aber ja: Ich bin innerhalb der EU.
Sie haben Außenminister Saudabajew in Wien getroffen. Warum?
Alijew: Wir haben vereinbart, dieses Treffen öffentlich nicht zu kommentieren. Es wurde ohne mein Zutun publik, was ich bedaure. Die Unterredung diente dazu, unsere jeweiligen Standpunkte darzulegen. In den vergangenen zweieinhalb Jahren hat mir Kasachstan kriminelle Aktivitäten nachgesagt und mich dafür sogar in Abwesenheit vor Gericht verurteilt. Alles mit dem Ziel, mich in der Öffentlichkeit unglaubwürdig erscheinen zu lassen. Der Hintergrund ist, dass ich viel über die Geschäfte hoher Politiker, inklusive Präsident Nursultan Nasarbajew, weiß.
Überbrachte Ihnen Außenminister Saudabajew eine Botschaft von Präsident Nasarbajew?
Alijew: Ja. Zu seinem 70. Geburtstag, am 6. Juli 2010, will Nasarbajew alle Staatschefs der OSZE einladen. Da will er innerhalb und außerhalb des Landes Ruhe haben. Dass derzeit nur eine einzige Partei im kasachischen Parlament sitzt, ist sein „Verdienst". Nasarbajew hat nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion ein System aufgebaut, das dem Stalinismus sehr ähnlich ist. Nasarbajew wurde im kommunistisch-stalinistischen System sozialisiert. Er ist in diesem System groß geworden, war 30 Jahre lang Mitglied der KPdSU.
Auch Sie selbst waren Bestandteil dieses Systems.
Alijew: Als ich Nasarbajews Tochter 1983 geheiratet habe, war er noch nicht Präsident des Landes, sondern nur ein örtlicher Leiter der KPdSU. Was ich damit sagen will, ist, dass ich diese Heirat nicht dazu benutzt habe, um in den inneren Kreis seines Systems zu kommen. Zu diesem Zeitpunkt gab es dieses noch nicht. Das hat sich erst später durch Nasarbajews Aufstieg ergeben.
Sie haben erwähnt, dass Sie Unterlagen besitzen, die für einige unangenehm sein könnten. Etwa für Präsident Nasarbajew.
Alijew: Er war in die Affäre um den amerikanischen Geschäftsmann James Giffen verwickelt, gegen den prozessiert wurde, weil er für amerikanische Ölkonzerne Bestechungsgeld für Förderrechte an Nasarbajew weitergegeben haben soll.
Wie viel Geld?
Alijew: Nasarbajew führte ein Konto in der Schweiz. Dort haben die Behörden 100 Millionen Dollar beschlagnahmt. Außerdem hat er eine weitere Milliarde Dollar dort eingezahlt, ohne Parlament oder Regierung davon zu informieren.
Sie behaupten, die kasachische Regierung habe Geld an Österreicher gegeben. Kennen Sie Details?
Alijew: 1992 kam Nasarbajew erstmals nach Wien, um eine Kreditlinie zwischen Österreich und Kasachstan zu vereinbaren. Kreditgeber war die Kontrollbank, es ging um 500 Millionen Dollar. Für das Geld gab es Waren aus Österreich. Zur Abwicklung gründeten Nasarbajew und sein Partner Grigori Loutschanski eine Gesellschaft namens Kazakhstan Trading House GmbH. Und sie unterschrieben eine Übereinkunft mit allen Lieferanten und Fabrikanten.
Das ist nicht illegal.
Alijew: Nein, aber: Von all den Lieferanten verlangten sie 20 bis 30 Prozent Provision vom Warenwert. Dieses Geld ging an die Kazakhstan Trading House GmbH.
Wer waren die Lieferanten?
Alijew: Einer der bekanntesten war ein Freund von Loutschanski, Leopold Bausbeck, der in Almaty ein Fünf-Sterne-Hotel baute und dafür 100 Millionen Dollar aus der Kreditlinie bekam.
Waren Politiker verwickelt?Können Sie Namen nennen?
Alijew: Derzeit nicht.
Sie haben auch gesagt, dass die kasachische Regierung Journalisten und Unternehmer schmiert.
Alijew: Kasachstan lässt sich die Kampagne zu meiner Diskreditierung viele Millionen Dollar kosten. Außenminister Saudabajew hat mir Folgendes gesagt: Wenn ich nicht aufhöre, das politische System Kasachstans und seinen Präsidenten zu kritisieren, werden sie noch mehr erfundene Geschichten über mich in die Welt setzen.
Wer bekam diese vielen Mio. Dollar?
Alijew: Teile gingen an österreichische Anwälte und PR-Agenturen.
Hat Nasarbajew auch Geld auf österreichische Konten transferiert?
Alijew: Nicht persönlich, aber durch hochrangige Vertreter. Viel Geld.
Die kasachische Botschaft hat angeboten, dass Sie einen Prozess in Kasachstan bekommen, der europäischen Standards entspricht.
Alijew: Darüber kann ich nur lachen. Der Botschafter kann mir keine Garantien geben. In meinem Land entscheidet nur eine Person: Präsident Nasarbajew. Er hat alle Richter bestellt. Das Justizsystem ist nicht unabhängig.
Wie erklären Sie sich, dass Leute, die Ihnen nahestanden, wie Ihr Chauffeur, Ihr Hausmeister oder Ihr Leibwächter sich gegen Sie gewandt haben und nun aussagen, dass Sie in einen Mord im Libanon verwickelt waren?
Alijew: Das ist gezielte Desinformation. Der angebliche Zeuge, Herr Leonid Formaidi, ist kein Masseur und auch kein Fahrer. Er war Geheimdienstleutnant und mein Leibwächter. Jetzt lebt er in Kasachstan und wird unter Druck gesetzt, damit er falsch gegen mich aussagt. Zum Zeitpunkt des angeblichen Mordes war ich im Mittelmeer auf einem Schiff mit bis zu zehn europäischen Bürgern, die das bezeugen können. Die libanesischen Behörden haben mich nie verdächtigt.
ZUR PERSON
■Rakhat Alijew (47) war in Kasachstan Vize-Außenminister, stellvertretender Geheimdienstchef und schließlich Botschafter in Wien. Der studierte Mediziner war mit der Tochter von Präsident Nursultan Nasarbajew verheiratet. Alijew stellt sich in der Öffentlichkeit als intimer Kenner und Kritiker des kasachischen Systems dar, das Nasarbajew fast uneingeschränkte Macht verleiht. Für Nasarbajew hingegen ist Alijew ein Krimineller, der u.a. für die Entführung zweier Bankmanager verantwortlich sein soll, deren Frauen sich in Österreich um einen Prozess gegen ihn bemühen.
Weiters wird behauptet, Alijew hätte eine ehemalige Geliebte ermordet. Er selbst bestreitet das.