In der Causa Rakhat Aliyev fand das Institut für Rechtsmedizin in St. Gallen keine Indizien auf äußere Gewalteinwirkung oder Intoxikation. Der ehemalige Botschafter dürfte Selbstmord begangen haben.
Rakhat Aliyev, der am 24. Februar tot in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefunden wurde, dürfte - wie seitens der Justiz von Anfang an vermutet - freiwillig aus dem Leben geschieden sein. Diesen Schluss legt ein zweites, von der Staatsanwaltschaft Wien in Auftrag gegebenes Obduktionsgutachten nahe, das nun vorgelegt wurde.
Der Expertise des Instituts für Rechtsmedizin in St. Gallen zufolge fanden sich bei der eingehenden Untersuchung der Leiche des ehemaligen kasachischen Botschafters in Wien, in die auch die Ergebnisse eines toxikologischen Gutachtens sowie spurenkundliche Auswertungen einbezogen wurden, keine Indizien in Richtung Fremdverschulden. "Es gibt keine Hinweise auf eine Gewalteinwirkung oder eine Intoxikation", gab die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, am Freitag bekannt.
Die Schweizer Expertise zum Ableben von Rakhat Aliyev stützt damit das Ergebnis des Wiener Gerichtsmediziners Daniele Risser, der unmittelbar nach dem Leichenfund keinen Hinweis auf Fremdverschulden gefunden hatte und von Selbstmord ausgegangen war. Das ausführliche schriftliche Gutachten Rissers ist noch ausständig, es gebe erst einen vorläufigen Obduktionsbefund, kritisierten Manfred und Klaus Ainedter, Aliyevs langjährige Wiener Anwälte. "Das Versprechen der Justiz, die Umstände des Todes rasch, transparent und umfassend zu klären, ist offensichtlich nicht eingehalten worden", bedauerte Manfred Ainedter gegenüber der APA.
Die Ermittlungen zur Todesursache des früheren kasachischen Botschafters seien noch nicht ganz abgeschlossen, bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Laut Ainedter müssen noch Zeugen - etwa ein Zellennachbar Aliyevs - vernommen werden. Auch ein psychiatrisches Gutachten zur "Suizidneigung" Aliyevs ist noch nicht eingelangt. Auf diese Expertise soll dem Vernehmen nach eine von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eingesetzte unabhängige Expertengruppe zur Klärung der Umstände des Todes bestehen.
Aliyevs ehemalige Anwälte, die nun seine Witwe vertreten, haben außerdem ein molekularbiologisches Gutachten beantragt - die Mullbinden, mit denen sich Aliyev erhängt haben soll, sollen auf DNA-Spuren untersucht werden. Die Rechtsvertreter wollen auch die Aufzeichnungen von sämtlichen Überwachungskameras im Trakt der Justizanstalt Wien-Josefstadt auswerten lassen, in dem Aliyev untergebracht war. Bisher sei nur die seiner Zelle am nächsten gelegene analysiert worden.
Fall begann 2007
Aliyevs Rechtsvertreter halten nach wie vor einen Mordanschlag für nicht ausgeschlossen bzw. vermuteten, Aliyev könnte - aus welchen Gründen auch immer - in den Selbstmord getrieben worden sein. Der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Staatspräsidenten Nursultan Nasarbajew war im Sommer 2014 in U-Haft gekommen, weil er der Entführung, Misshandlung und Ermordung zweier kasachischer Bankmanager verdächtigt wurde, die Ende Jänner 2007 verschwunden waren. Ihre sterblichen Überreste wurden erst im Mai 2011 entdeckt. Ende 2014 wurde gegen Aliyev, seinen langjährigen Sicherheitsberater Vadim Koshlyak sowie den früheren Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussayev, eine Doppelmord-Anklage eingebracht.
Wenige Wochen vor Prozessbeginn im Wiener Straflandesgericht wurde Aliyev erhängt in seiner Zelle aufgefunden. Er hatte zum Zeitpunkt seines Ablebens Substanzen von fünf verschiedenen Medikamenten im Blut, die er allesamt von der Justizanstalt gegen diverse Erkrankungen verschrieben bekommen hatte.
www.kleinezeitung.at, 12.06.2015