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Das Duo mit den Milliarden

 

Der kasachische Präsident Nasarbajew und sein Geheimdienstchef Alijew waren Weggefährten. Jetzt sind sie Feinde und tragen ihren Konflikt bei uns in Europa aus – es geht um Mord, Geldwäsche und die Frage, wie reiche Potentaten das Recht aushebeln können.

 

 

 

Es geht um zwei Männer, die bedeutende Freunde haben, das ist der erste Teil der Geschichte. Der eine Mann, Nursultan Nasarbajew, holte den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair für ein Millionengehalt in seinen Beraterstab, außerdem den einstigen Präsidenten der EU-Kommission Romano Prodi und den früheren österreichischen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.

 

Der andere Mann, Rachat Alijew, schwärmt von seinem Geschäftsfreund Adolf Wala, ehemals Präsident der österreichischen Zentralbank. Er erzählt auch gerne, wie ihm der enge Kontakt zur Wiener Vizebürgermeisterin Renate Brauner dabei half, Mehrheitsinvestor bei einem der wichtigsten Wirtschaftsprojekte der österreichischen Hauptstadt zu werden, einem großen Medienzentrum im Wiener Stadtteil St. Marx. "Ich erinnere mich, wie ich ihr unsere Partnerschaft bei einem Spiel der Eishockeymannschaft Vienna Capitals in der Albert-Schultz-Halle erfolgreich schmackhaft gemacht habe", so Alijew.

 

Zwei Männer, zwei Täter, das ist der zweite Teil der Geschichte. Der 73-jährige Nursultan Nasarbajew ist seit 1991 Präsident von Kasachstan, offiziell eine funktionierende Demokratie. Inoffiziell wird seine Herrschaft begleitet von Wahlfälschung, Korruption, Folter. Auch Rachat Alijew, 50, hatte viel Macht in Kasachstan, er war Chef der Steuerfahndung, Vize-Außenminister, Vize-Geheimdienstchef. Heute ermittelt die Staatsanwaltschaft Wien gegen ihn wegen Mordes. Ermittler in Wien und Krefeld gehen Geldwäschevorwürfen in Millionenhöhe gegen Alijew nach.

 

Die beiden Männer mochten sich, mussten sich mögen, denn Alijew war der Schwiegersohn von Nasarbajew, er hatte 1983 dessen Tochter Dariga geheiratet, das Ehepaar bekam drei Kinder. Anfang 2002, da mochten sich die beiden Männer schon nicht mehr so sehr, wurde Alijew als Botschafter Kasachstans nach Wien entsandt, ein Amt, das er mit Unterbrechungen bis zum Jahr 2007 innehatte. Heute existiert zwischen Nasarbajew und Alijew nur noch Hass.

 

Zwei Männer, die viel Geld haben, das ist der dritte Teil der Geschichte. Kasachstan ist ein reiches Land, es verfügt über gewaltige Gas- und Ölvorkommen, über Eisen, Erz, Uran, dazu die begehrten sogenannten seltenen Erden, die als wichtiger Rohstoff dienen für die weltweite Elektronikindustrie. Das Geld aus den Rohstoffen landet vor allem in den Taschen der Mächtigen. Von Nasarbajew heißt es, er habe ein privates Vermögen von mehreren Milliarden Euro. Bei Alijew ist von Hunderten Millionen Euro die Rede. Vermutlich hat es mit diesem Geld zu tun, dass die beiden Männer bei so vielen europäischen Politikern und Wirtschaftsführern so gefragt sind.

 

Nasarbajew und Alijew unternehmen seit einigen Jahren einen Feldversuch der besonderen Art: Die beiden reichen Männer aus Kasachstan finden heraus, was man mit viel Geld im zivilisierten Europa so alles anstellen kann. Früher gingen sie gemeinsam vor, inzwischen tut es jeder für sich allein.

 

Nur leise sind Stimmen wie die des CDU-Europapolitikers Elmar Brok oder der Grünen-Politikerin Viola von Cramon zu vernehmen, die einen internationalen Haftbefehl für Alijew fordern und einen Boykott seines einstigen Ziehvaters Nasarbajew.

 

Der politische Alltag sieht anders aus. Laut Auswärtigem Amt ist Kasachstan für die Bundesrepublik "der weitaus wichtigste Wirtschaftspartner in Zentralasien". Bei einem Staatsbesuch Nasarbajews im Februar 2012 unterschrieben er und Bundeskanzlerin Angela Merkel ein milliardenschweres Partnerschaftsabkommen in Sachen Rohstoffentwicklung.

 

Michael Tsokos ist kein Politiker, und auch von zentralasiatischen Republiken versteht er nicht besonders viel. Tsokos leitet das Institut für Rechtsmedizin der Berliner Charité, sein Job ist es, aus Leichen möglichst viel verwertbare Informationen herauszuholen. Vor zwei Jahren flog er im Auftrag eines kasachischen Unterstützervereins für Kriminalitätsopfer mit einem Expertenteam nach Astana, der Hauptstadt Kasachstans.

 

Tsokos untersuchte die letzten Überreste zweier Männer, die in Betonfässern auf einem Firmengelände gefunden worden waren. Tsokos ist Gräueltaten gewohnt, doch was er hier vorfand, machte selbst ihm zu schaffen. Die beiden Männer waren vor ihrem gewaltsamen Tod gefoltert worden, bei einem fand sich ein langer spitzer Stein im Darm, der vermutlich rektal eingeführt worden war. Beide Leichen wiesen tiefe Würgemale, Prellungen und Knochenbrüche auf. Beide Männer waren vor ihrem Tod mit Schmerzmitteln und schweren Psychopharmaka vollgepumpt worden – möglicherweise, um sie länger foltern zu können.

 

Tsokos notierte in seinem Gutachten, die Leichen seien auf "professionelle, kenntnisreiche" Weise entsorgt worden: in Betonfässern voll löslichem Kalk, was einerseits Verwesungsgerüche verhindere, andererseits Verwesungsprozesse beschleunige. Der Berliner Gerichtsmediziner konnte mit "99-prozentiger Sicherheit" die Identität der Männer feststellen. Die Namen: Scholdas Timralijew und Aibar Chasenow. Beruf: Vorstandsmitglieder der Nurbank, einer der größten Banken des Landes.

 

Rückblende. Almaty, ehemalige Hauptstadt von Kasachstan, Sitz der Nurbank. Es ist der Morgen des 31. Januar 2007, im Terminkalender der beiden Bankmanager steht eine Besprechung mit Rachat Alijew. Damals ist Alijew der Eigentümer der Bank, er verfügt über eine Aktienmehrheit. Den beiden Vorständen wirft Alijew vor, sie hätten ihn betrogen. Timralijew ist zu diesem Zeitpunkt 40 Jahre alt, Chasenow 43 Jahre. Es ist der Tag, an dem die beiden das letzte Mal lebend in der Öffentlichkeit auftauchen.

 

Die Nurbank war zu diesem Zeitpunkt eine kasachische Erfolgsgeschichte. Aus der staatlichen Regionalbank am Kaspischen Meer, konzentriert auf das Erdölgeschäft, war ein weltweit operierender, privat finanzierter Bankenriese geworden. Heute ist sie wieder eine Staatsbank. Man kann sagen: Früher gehörte die Bank Alijew, heute kontrolliert sie Nasarbajew.

 

"Mein Mann hatte große Angst vor dem Treffen mit Alijew. Er war an diesem Morgen sehr nervös", sagt Armangul Kapaschewa, 42, die Witwe des Bankers Scholdas Timralijew. Sie sitzt im Berliner Büro der ZEIT, Juli 2013, schlank, elegante Kleidung, die grauen Schuhe passen zur grauen Handtasche.

 

"Mein Mann hatte ein paar Tage zuvor schon ein grausiges Treffen mit Alijew. Er wurde unter dem Vorwand einer Geschäftsreise in einen Saunakomplex von Alijew gelockt, und plötzlich standen Alijew und seine Schläger vor ihm. Sie ketteten ihn an einen Heizkörper, Alijew schoss ihm mit einer Pistole vor die Füße. Mein Mann hatte Todesangst. Er sollte zugeben, dass er Alijew betrogen hatte. Er sollte ihm sein Vermögen überschreiben, er sollte auch andere Leute dazu bewegen, Geld an Alijew zu zahlen. Damals hat Alijew ihn noch freigelassen, damals noch."

 

Seit Jahren versucht Armangul Kapaschewa die Ermordung ihres Mannes aufzuklären. Gemeinsam mit der zweiten Witwe, der Frau von Aibar Chasenow, hat sie den Opferverein Tagdyr ("Schicksal") gegründet.

 

www.zeit.de

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