Erstmals erzählt jetzt der in Wien untergetauchte ehemalige Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB, Alnur Mussajew, seine Version von der Affäre des in seiner Heimat schwerer Verbrechen beschuldigten ehemaligen Botschafters in Österreich, Rakhat Alijew (im Bild).
Dabei geht es um kriminelle Machenschaften und Revancheakte auf mehreren Ebenen. Mussajew sagt nun in dem in der Nacht auf Freitag geführten Gespräch mit der "Krone", die Vorwürfe gegen den Ex-Botschafter würden den Tatsachen entsprechen. Sollte diese neue Darstellung des ehemaligen Alijew-Vertrauten zutreffen, steht der Fall Kasachstan – wenige Tage vor Beginn des parlamentarischen U-Ausschusses – vor einer spektakulären Wende.
Für Österreich ist Mussajews Darstellung insofern von Relevanz, weil sie die möglichen Verstrickungen der heimischen Politik in diesem Fall aufzeigen könnte.
Bereits früh Sowjet-Mitarbeiter
Alnur Mussajew, 1954 in Kasachstan geboren, war bereits in jungen Jahren Mitarbeiter sowjetischer Sicherheitsdienste. Im Jahr 1994 ist er vom kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew "zum Helfer des Aufbaus der Staatssicherheit" berufen worden. Drei Jahre später, 1997, Mussajew war nun Chef des Kasachischen Sicherheitskomitees KNB, ist ihm Rakhat Alijew als Stellvertreter des Geheimdienstes zur Seite gestellt worden.
"Alijew hatte aber eher eine Ausbildung auf dem medizinischen Sektor und war auf dem Gebiet der inneren Sicherheit kein ausgebildeter Fachmann", sagt Mussajew. Alijew hatte zuvor Nasarbajews Tochter Dariga geheiratet, eine Frau, die einflussreiche Positionen in Kasachstan besetzt. 2001 sei die Beziehung zwischen Nasarbajew und seinem Schwiegersohn jedoch zunehmend angespannter geworden, berichtet Mussajew.
Hintergrund seien einerseits finanzielle Transaktionen im Zusammenhang mit der "Nur-Bank" gewesen, andererseits die politischen Ambitionen Alijews. Er, Mussajew, wäre dabei auch zunehmend in die innenpolitischen Intrigen involviert worden. Im Jahr 2002 habe er sich daher aus dem Geheimdienst zurückgezogen und hätte sich "gesellschaftlichen Aktivitäten gewidmet", wie es Mussajew formuliert.
Breit gefächerte Polit-Kontakte
Rakhat Alijew, der – laut Mussajew – "bereits seit dem Jahr 1992 intensiv breit gefächerte politische Kontakte in Österreich gepflegt hat", habe ihn schließlich im Jahr 2007 von Wien aus in Kasachstan angerufen und ihn "eingeladen, nach Österreich zu kommen, weil es hier sicher" sei.
Im Februar 2007 war Alijew schließlich der Entführung zweier führender Manager der kasachischen "Nur-Bank" bezichtigt worden. Alijew hatte dies stets als Intrige und Lüge der kasachischen Führung und sich als Opfer dargestellt. Mitten in diese Phase fallen auch die Zwangsscheidung Alijews von der Präsidententochter und dessen Abberufung als kasachischer Botschafter in Österreich. In weiterer Folge dessen wurde Alijew von österreichischer Seite auch Personenschutz zur Seite gestellt, Ermittlungen sind eher zäh im Gange, ein Auslieferungsbegehren ist im Hinblick auf die Menschenrechtslage in Kasachstan abgelehnt worden.
"Auftrag für Morde erteilt"
Nun allerdings sagt Alnur Mussajew, nach übereinstimmenden Darstellungen soll er zwei Entführungsversuchen in Wien knapp entkommen sein, dass "ihm bekannt ist, dass die Verbrechen und Entführungen der ehemaligen ,Nur-Bank‘-Manager im Auftrag von Rakhat Alijew durchgeführt worden sind". Er, Mussajew, habe davon erfahren und fühle sich moralisch mitschuldig.
Zumal ihm, Mussajew, nunmehr bekannt sei, dass Alijew bereits "früher Entführungen und Morde" veranlasst habe und dies lange Zeit von seinem damaligen Schwiegervater, Staatspräsident Nasarbajew, "aufgrund der familiären Beziehungen gedeckt und geduldet" worden sei.
Verbindungen ins Innenministerium
Mussajew führt die Duldung der Aktivitäten und den ungehinderten Aufenthalt Alijews in Österreich auf die "vielfältigen politischen Kontakte, insbesondere in die früheren Spitzen des Innenministeriums, des ehemaligen kasachischen Botschafters in Österreich und auf die wirtschaftlichen Interessen der Republik am rohstoffreichen Kasachstan" zurück.
Keine Auslieferung in die Heimat
Weshalb der ehemalige kasachische Geheimdienstchef Alnur Mussajew, der in Wien untergetaucht ist, wenige Tage vor Beginn des parlamentarischen Untersuchungsausschusses diese, seine Version des "Falls Alijew" jetzt öffentlich macht, will Mussajew als seine "moralische Verpflichtung" verstanden wissen.
Bemerkenswert ist allerdings, dass die Republik Kasachstan ihr Auslieferungsbegehren an Österreich gegen den ehemaligen Geheimdienstchef vor kurzem zurückgezogen hat.
Klargestellt werden muss zu diesem Interview mit dem früheren Geheimdienstchef, dass der ehemalige Botschafter Kasachstans, Rakhat Alijew, stets alle Vorwürfe zurückgewiesen hat und die bisherigen Ermittlungen eingestellt und nicht wieder aufgenommen worden sind. Von redaktioneller Seite kann nicht behauptet werden, wer hier die Wahrheit sagt.
krone.at