Konflikt um Rohstoffkonzern ENRC: Zurück in den Schatten

 

eurasWährend in London wegen schweren Betrugs gegen ENRC ermittelt wird, will ein kasachisches Bündnis den Rohstoffkonzern mit Staatshilfe komplett übernehmen. Jetzt erhält es mehr Zeit, sein Angebot aufzubessern.

Fern der Heimat hat sich die kasachische Eurasian Natural Resources Corporation (ENRC) vor mehr als fünf Jahren in London kotieren lassen, um sich als modern geführter Rohstoffkonzern mit internationalen Ambitionen zu präsentieren. Von diesem Ruf ist das Unternehmen, eines der wichtigsten des zentralasiatischen Landes und der weltweit grösste Produzent von Eisenlegierungen, inzwischen weit entfernt: Nicht nur haben die Methoden, mit denen die globale Expansion vorangetrieben werden sollte, die britischen Behörden auf den Plan gerufen. Auch haben sich die Gründungsaktionäre mit der Regierung in Astana verbündet, wollen den Konzern komplett übernehmen und die im Leitindex FTSE 100 geführte ENRC vielleicht von der Börse nehmen.

 

Drei Wochen Aufschub


Wohin diese Konflikte führen werden, ist vorerst nicht abzusehen – sowohl hinsichtlich des Images der Corporate Governance in der Königsklasse am Londoner Finanzmarkt wie auch für ENRC selbst. Am Montag lief eine Frist ab, in der das kasachische Konsortium ein neues Angebot für alle restlichen Aktien von ENRC vorlegen musste. Doch wie ENRC am Abend mitteilte, hat es dem Bündnis einen Aufschub um drei Wochen gewährt, um eine bessere Offerte zu erhalten.

 

Drei Milliardäre, die Gründungsaktionäre Alexander Maschkewitsch, Alidschan Ibragimow und Patoch Schodiew, halten je knapp 15% an ENRC. Während des kasachischen Privatisierungsprogramms in den neunziger Jahren haben sie jene Minengesellschaften erworben, die heute das Rückgrat des Konzerns bilden. Den drei Magnaten werden gute Beziehungen zum Regime des autokratischen Herrschers Nursultan Nasarbajew unterstellt. Jetzt verbündeten sie sich auf Betreiben von Maschkewitsch mit dem Staat, wobei neben dem mit 12% an ENRC beteiligten Finanzministerium auch der Staatsfonds Samruk-Kasyna als potenzieller Geldgeber engagiert ist. Knapp 46% der ENRC-Aktien liegen nicht in den Händen des Konsortiums: 26% sind im Besitz des ebenfalls kasachischen Rohstoffkonzerns Kazakhmys und knapp 19% in Streubesitz.

 

Generös wollte sich das Konsortium zunächst nicht zeigen: Es hatte am 16. Mai ein Angebot lanciert, das für jede ENRC-Aktie 175 p in bar und einen Anteil von 0,231 an einer existierenden Aktie von Kazakhmys offerierte, an dem der kasachische Staat ebenfalls beteiligt ist (zu 26%). Zusammengenommen hatte das Paket einen Wert von umgerechnet 2,3 Mrd. $ und bewertete eine ENRC-Aktie mit 260 p. Am Tag der Offerte lag der Kurs bei 300 p. Das Komitee der unabhängigen Verwaltungsratsmitglieder, das für die Interessen der Minderheitsaktionäre eintritt, bezeichnete das Angebot denn auch als unzureichend und setzte jene Frist, die es nun bis zum 24. Juni verlängert hat.

 

Eine Schlüsselrolle in diesem Spiel fällt Kazakhmys zu, dem weltweit elftgrössten Kupferproduzenten. Mit seinen 26% an ENRC kann Kazakhmys jede Aktion blockieren, für die eine Dreiviertelmehrheit erforderlich ist – zum Beispiel eine Dekotierung. Obwohl der Erwerb der ENRC-Aktien Kazakhmys nach Berechnungen der UBS durchschnittlich 575 p je Titel kostete, hat der Konzern die Beteiligung in seinem jüngsten Jahresabschluss schon auf 375 p je Aktie abgeschrieben. Es wäre wohl sehr schmerzhaft für Kazakhmys, würde der Konzern einen noch tieferen Preis akzeptieren.

 

Im IPO-Prospekt von ENRC war festgelegt worden, dass die Aktionäre kein Bündnis eingehen dürfen, dem die unabhängigen Verwaltungsratsmitglieder nicht zustimmen. Dass die nun für die Anliegen der Kleinaktionäre eintreten, mag denen ein kleiner Trost sein: Beim Börsengang im Dezember 2007 wurden die Titel zum Kurs von 540 p gehandelt. Im März des folgenden Jahres stiegen sie in den FTSE 100 auf, und der so generierte Nachfrageschub trug sie in wenigen Wochen bis auf 1535 p. Dass es seither abwärtsging, liegt nicht nur an der Finanzkrise und Preiskorrekturen an den Rohwarenmärkten, sondern auch an der Unternehmensführung: In den vergangenen 12 Monaten hat der Kurs um 43% nachgegeben.

 

In dem Bestreben, sich international zu diversifizieren, hatte ENRC Produktionsstätten in Afrika gekauft, darunter Kupferminen im Kongo. Die Afrika-Sparte fuhr 2012 einen bereinigten operativen Verlust (Ebitda) von 107 Mio. $ ein, was naturgemäss nicht dazu beitrug, den Rückgang des gesamten Ebitda um 45% auf 1,9 Mrd. $ und einen Reinverlust von 852 Mio. $ zu verhindern. Auch scheint bei dem Aufbau der Sparte nicht alles mit rechten Dingen zugegangen zu sein: Unter anderem zahlte ENRC vergangenes Jahr nach einem Konflikt mit dem Bergbaukonzern First Quantum, dessen Minenprojekte von der kongolesischen Regierung konfisziert und an ENRC verkauft worden waren, zum Ausgleich 1,25 Mrd. $ an den kanadischen Konkurrenten.

 

Untersuchungen und Abgänge


Ende April teilte das britische Ermittlungsbüro für schwere Betrugsdelikte ohne nähere Angaben mit, es habe eine Untersuchung gegen ENRC wegen Betrug, Bestechung und Korruption eingeleitet. Gerüchte über solch eine Ermittlung hielten sich seit Ende März. Am 23. April trat dann der Verwaltungsratsvorsitzende von ENRC mit sofortiger Wirkung zurück, zwei andere Board-Mitglieder kündigten ihren Rückzug an. Nur wenige Tage vorher hatten der geschäftsführende Direktor und der Chief Operating Officer (COO) ihren Hut genommen.

 

Unter Analytikern wird vermutet, die Konflikte zwischen der Unternehmensleitung und den Gründungsaktionären seien eskaliert und selbst der kasachische Staat sei angesichts der anhaltenden negativen Schlagzeilen an einer Dekotierung interessiert. Damit das geschieht, wird das Konsortium tiefer in die Tasche greifen müssen. Mehr Zeit zum Überlegen hat es nun.

 

NZZ.ch

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